Muttermilch in den ersten 1000 Lebenstagen

13th International Breastfeeding and Lactation Symposium

Muttermilch in den ersten 1000 Lebenstagen: Der Schlüssel für ein gesundes Leben und die Zukunft der Medizin

Obwohl die Eidgenössische Ernährungskommission 2015 Richtlinien zur Bedeutung der Versorgung und Ernährung während der ersten 1000 Lebenstage[i] (von der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr) herausgegeben hat, ist sich die Gesellschaft immer noch nicht vollständig der entscheidenden Rolle bewusst, die Muttermilch bei der Programmierung einer langfristigen Gesundheit und der lebenslangen Prävention von Krankheiten spielt.

  • Stillen verbessert lebenslang die Gefässgesundheit und senkt das Risiko für Übergewicht, Diabetes, Allergien und Asthma im späteren Leben
  • Die Bindung zwischen Mutter und Baby, die durch das Stillen gefördert wird, verbessert langfristig das psychologische Wohlbefinden
  • Stillen bietet nachweislich selbst bis zum Alter von 67 Jahren kognitive Vorteile
  • Die positiven Aspekte des Stillens zeigen sich ab drei Monaten des ausschliesslichen Stillens und nehmen mit dem weiteren Stillen zu

Baar, Schweiz/Paris, Frankreich – 9. April 2018.

«Die meisten glauben, dass die Gene alles bestimmen. Tatsächlich beeinflusst das Umfeld in den ersten 1000 Tagen erheblich, wie diese Gene über das ganze Leben hinweg aktiviert werden.» Mit diesen Worten begann Prof. Laurent Storme am 22. März auf dem 13. Internationalen Still- und Laktationssymposium in Paris seinen Vortrag über die lebenslange Auswirkung des Umfelds von Mutter und Kind in den ersten 1000 Lebenstagen. Von Kunststoffen, Pestiziden und Kosmetik – sollte vermieden werden – zu Fisch, frischen Lebensmitteln und Stillen – sollte angewandt werden – beeinflusst die Umwelt während der Schwangerschaft und den ersten zwei Lebensjahren den weiteren Lebensverlauf eines Menschen massgeblich. Keine andere Intervention in den ersten zwei Jahren nach der Geburt hat sich nachweislich so positiv auf die lebenslange Gesundheit ausgewirkt wie das Stillen.

 

Nichtübertragbare Krankheiten nehmen bei jungen wie bei alten Menschen stark zu

Zehnmal mehr Erwachsene haben heutzutage Typ-2-Diabetes und zehnmal mehr Erwachsene sind übergewichtig. Die Fruchtbarkeit nimmt dramatisch ab, während die Raten chronischer, nichtübertragbarer Krankheiten wie Alzheimer, Allergien, Asthma und vieler anderer Krankheiten konstant zunehmen. Für diese Erkrankungen gibt es keine Heilmittel und für die Behandlung der Symptome sind lange, teure Therapien erforderlich.

 

Umwelteinflüsse sind vermutlich wichtiger als Gene

Gene sind seit zwanzig Jahren in aller Munde, insbesondere seit sich die Genomsequenzierung grosser Beliebtheit erfreut. Immer mehr Belege deuten jedoch darauf hin, dass Epigenetik (der Einfluss der Umwelt auf die Entwicklung der Gene) der wahre Schlüssel ist, um herauszufinden, wie sich Krankheiten entwickeln. Die Gene mögen ein Indikator für potentielle Krankheiten sein, aber wir können beeinflussen, ob diese Gene durch das Umfeld ausgelöst werden oder nicht.

 

Prof. Laurent Storme, Leiter der Neonatologie am Universitätskrankenhaus von Lille und Vizepräsident des französischen Ablegers der DOHaD Society, sagt: «Natürlich wissen wir alle, dass unser Umfeld sich auf unsere Gesundheit auswirkt. Aber was wir nicht erkennen, ist, dass je früher man in seinem Leben einem negativen Umfeld ausgesetzt ist, umso mehr wirkt sich das auf die zukünftige Gesundheit aus. Umgekehrt gilt auch, je eher man einem günstigen Umfeld ausgesetzt ist, umso positiver wirkt sich das auf die spätere Gesundheit aus.»

 

Geht es nach dem zweiten Lebensjahr nur noch bergab?

Storme erklärt: «Die Gesundheit nimmt ab dem Alter von zwei Jahren mit der Zeit ab. Bei einem wirklich positiven und günstigen Umfeld beginnt dieser Abbau später im Leben. Diese Annahme hat sich in zahlreichen Studien bestätigt. Wenn wir als medizinisches Fachpersonal den Menschen wirklich helfen wollen, müssen wir hier ansetzen.»

 

Kritisches Handlungsfenster

«Deshalb möchte ich die ersten 1000 Tage in einem positiven Licht sehen, als kritisches Handlungsfenster», so Storme. «Es ist die erste und wichtigste der drei kritischen Phasen in der Entwicklung. Die anderen zwei sind die Pubertät und die Menopause.»

 

«Wir müssen uns der perinatalen Programmierung der Gesundheit widmen. Für die Krankheiten, die später im Leben auftreten, wird der Grundstein zumeist in den ersten 1000 Tagen gelegt», sagt Storme. «Der Developmental Origin of Health, also die Beeinflussung der späteren Gesundheit während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren, ist ein neues Paradigma. In zehn oder zwanzig Jahren werden wir uns auf den Anfang, den Zeitraum der Programmierung konzentrieren, statt zu versuchen, das anzugehen, was später nicht mehr geändert werden kann. Hier liegt die Zukunft der Medizin. Durch die Verbesserung des Umfelds von Mutter und Baby können wir all die chronischen Leiden im Erwachsenenleben verringern.»

 

Lebenslange Vorteile des Stillens als Umweltfaktor

«Obwohl es weiterer prospektiver Studien und Interventionsstudien bedarf, um umfassende Ergebnisse zu erhalten, gibt es bereits jetzt fundierte wissenschaftliche Belege für die Vorteile, die das Stillen im Säuglingsalter und für das gesamte Leben bringt», so Storme.

 

So konnten Studien zum Beispiel belegen, dass Stillen Adipositas im Erwachsenenalter verhindert und zu besseren kognitiven Fähigkeiten bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen führt. [ii] Die ersten positiven kognitiven Fähigkeiten werden bereits nach drei Monaten des ausschliesslichen Stillens deutlich und nehmen mit dem weiteren Stillen, insbesondere über sechs Monate hinaus, zu. Eine Studie bringt positive kognitive Fähigkeiten von 67-Jährigen mit dem Stillen in Verbindung.[iii] Eine weitere Studie zeigt, dass Babys, die gestillt wurden, noch im Alter von 30 Jahren von den psychologischen Vorteilen profitieren.[iv]

 

«Das gilt für alle Babys. Aber je anfälliger das Baby ist, zum Beispiel im Falle einer Frühgeburt oder bei Untergewicht, umso mehr wirkt sich natürlich das Stillen aus», sagt Storme.

 

Stillen als kraftvolle Massnahme

Für Prof Bruce German, Leiter des Food for Health Institute an der University of California in Davis ist Stillen ein Vorgang, bei dem die Mutter «ihren Körper auflöst», um ihr Baby zu füttern. Storme fügt hinzu, dass die einzelnen Komponenten in der Muttermilch wie die Menge an Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren und andere Faktoren nicht nur das Ergebnis dessen sind, was eine Mutter am Vortag gegessen hat, sondern dessen, was sie gegessen hat, wie sie sich sportlich betätigt hat, sowie Schadstoffe und Stress, denen sie in den vielen Monaten ausgesetzt gewesen ist, bevor das Baby geboren wurde.

 

Aus diesem Grund bieten Programme zur Förderung des Stillens wie das französische IHAB (Initiative babyfreundliches Spital) schwangeren und stillenden Müttern eine Rundum-Beratung an, von der Ernährung über sportliche Betätigung und Kosmetika bis hin zum Kauf neuer Möbel. (Tipp: Bitten Sie einen Partner oder Freund, diese mindestens drei Monate vor der Geburt des Babys zu kaufen, um zu vermeiden, dass Mutter und Baby volatilen endokrinen Disruptoren ausgesetzt sind!)

 

Jeder muss dazu beitragen, dass Mutter und Kind in den ersten 1000 Tagen ein positives Umfeld haben

«Mütter und Babys müssen geschützt werden. Wir starten alle als Babys ins Leben. Hier geht es darum, eine starke und gesunde Gesellschaft aufzubauen», so Storme.

 

Er fügt hinzu: «Jeder sollte stillende Mütter und ihre Babys unterstützen und schützen. Neben den unzähligen Vorteilen der Muttermilch sorgt die Verbindung zwischen einer Mutter und ihrem Baby für lebenslange geistige und körperliche Gesundheit.» Der Kontakt, insbesondere beim Stillen, löst die Ausschüttung des Liebeshormons Oxytocin aus, das die Mutter-Kind-Bindung verbessert, das Lymphsystem stärkt und Wut und Unruhe mindert.

 

«Es geht nicht nur um praktische Hilfe, sondern auch um Empathie und Wohlbefinden. Das gesamte Umfeld hat einen Einfluss auf Mutter und Baby.» Kurz, ein ganzes Dorf ist nötig, wie es so schön heisst. Selbst das Stillen ist nicht allein die Aufgabe der Mutter, sondern muss von der ganzen Gesellschaft unterstützt werden.

 

Über Medela
Das 1961 gegründete Unternehmen Medela mit Sitz in der Schweiz investiert in Grundlagenforschung in Zusammenarbeit mit führenden Wissenschaftlern, Fachspezialisten und Universitäten und nutzt die Forschungsergebnisse für Bildungsarbeit und die Entwicklung von Stillprodukten und -lösungen. Erfahren Sie mehr auf www.medela.com.

 

Weitere Informationen für Journalisten:

Literaturhinweise

 

 

[i] https://www.eek.admin.ch/eek/de/home/pub/ernaehrung-in-den-ersten-1000-lebenstagen-.html

[ii] Breastfeeding in the 21st century: epidemiology, mechanisms, and lifelong effect. Cesar G Victora, Rajiv Bahl, Aluísio J D Barros, Giovanny V A França, Susan Horton, Julia Krasevec, Simon Murch, Mari Jeeva Sankar, Neff Walker, Nigel C Rollins, for The Lancet Breastfeeding Series Group*

[iii] Psychological Medicine (2018), 48, 939–951. © Cambridge University Press 2017 doi:10.1017/S0033291717002331. Association between breastfeeding and better preserved cognitive ability in an elderly cohort of Finnish men. V. Rantalainen1,2*, J. Lahti1,2, M. Henriksson3,4, E. Kajantie5,6,7, M. Mikkonen8,9, J. G. Eriksson2,10,11 and K. Raikkonen1

[iv] European Journal of Personality, Eur. J. Pers. 30: 484–491 (2016). Published online in Wiley Online Library (wileyonlinelibrary.com) DOI: 10.1002/per.2030. Breastfeeding and Adult Personality. Angelina R. Sutin1*, Yannick Stephan2 And Antonio Terracciano1