Medela strukturiert Produktion um

Die Medela AG investiert in die Produktion am Standort Zug. Dabei sind aber nicht Roboter gefragt, sondern vor allem Menschen – ein Augenschein.

Author: Bernard Marks, Neue Zuger Zeitung

Ortstermin Steinhausen

In den Räumen im Erdgeschoss der «Four Towers» herrscht rege Betriebsamkeit. An den Werkplätzen der Medela AG setzen Mitarbeiter gerade spezielle Milchpumpen für Mütter  zusammen, die nicht stillen wollen oder können, aber trotzdem ihrem Baby Muttermilch geben wollen. Zunächst scheint nichts Besonderes an diesem Bild. Doch bei genauerem Hinsehen fallen einige Details auf.

Die Produktionsstrasse ist überraschend kurz. Das spart Platz. Auf weniger Raum kann schnell produziert werden – dies, obwohl viele Handgriffe und Bewegungen nötig sind, um die kompliziert aufgebauten Pumpen zusammenzusetzen. Überall sind Linien auf dem Boden der Produktionshallen eingezeichnet. Alles hat hier seinen definierten Platz. Verschiedene Farben zeigen verschiedene Funktionen an. Hebebühnen und Lifte erleichtern den Mitarbeitern das Tragen von schweren Kisten oder Behältern. Über den Köpfen der Mitarbeiter hängt gut sichtbar ein Bildschirm, auf  dem die heute hergestellten Stückzahlen zu sehen sind. So kann jeder Mitarbeiter sich jederzeit über den aktuellen Stand der produzierten Menge informieren und wird in den Prozess einbezogen.

Grosse Nachfrage

Die Nachfrage nach der Milchpumpe aus Zug ist weltweit enorm. Die Menge von annähernd einer Million in der Schweiz hergestellten Brustpumpen überrascht. «Es gibt viele Gründe für Frauen, für ihr neugeborenes Baby Milch abzupumpen», sagt Lukas Achermann. Der 34-Jährige ist Teamchef in der Produktion in Steinhausen. Viele Frauen benutzen eine Milchpumpe, wenn sie mal eine kurze Pause vom Stillen brauchen oder wenn sie zurück in den Beruf gehen. Milchabpumpen kann das Stillen auch unterstützen bei Brustschmerzen, Entzündungen oder Milchstau. Manche zu früh geborenen Kinder sind noch nicht in der Lage, an der Brust zu saugen. Deshalb müssen ihre Mütter Milch abpumpen, die dann den kleinsten Säuglingen gegeben werden kann.

Auch für die Partnerschaft kann eine Pumpe hilfreich sein. Für manche bietet sich die Chance, mehr Zeit gemeinsam mit dem Partner zu verbringen, während ein Babysitter oder die Grosseltern das Baby hüten. «Grundsätzlich ist das Abpumpen dann sinnvoll, wenn das direkte Stillen nicht möglich ist», führt Achermann aus.

Stets eine Herausforderung

Doch das Abpumpen darf nicht schmerzhaft sein. «Bei der Entwicklung unserer Produkte ist es eine Herausforderung, der  Konkurrenz immer eine Nasenlänge voraus zu sein», erklärt Achermann. Das  Medizintechnikunternehmen wurde im Jahr 1961 von Olle Larsson in  Zug  gegründet und besteht aus den beiden Unternehmensbereichen «Human Milk» und «Healthcare». Der Bereich «Human Milk», zu dem die Produktion von Brustpumpen gehört, macht heute rund 90 Prozent des Umsatzes bei Medela aus. In diesem Bereich ist Medela nach eigenen Angaben Marktführer. Im Bereich «Healthcare» ist Medela spezialisiert auf medizinische Vakuumtechnologie und produziert medizinische Pumpen für Krankenhäuser und die Heimpflege. Darunter fallen Pumpen für die  Unterdruck-Wundtherapie, für die mobile digitale Thorax-Drainage-Therapie und das Absaugen bei chirurgischen Eingriffen.

Wie gross die Nachfrage nach Produkten von Medela heute ist, zeigt auch ein Blick auf die Kennzahlen des Unternehmens. Medela verzeichnete seit der Gründung ein rasantes Wachstum. Heute beschäftigt  das  Familienunternehmen weltweit über 1700 Angestellte, davon 400 Mitarbeitende im Kanton Zug.

Steigerung der Produktivität

In beiden Unternehmensbereichen wächst Medela seit Jahren. Die  Nachfrage vor allem nach Milchpumpen von Medela ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Die Umsatzzahlen der Firma, die heute ihre Produkte in mehr als 100 Länder verkauft, lagen 1990 noch bei 11 Millionen Franken, 2005 wurde die 200-Millionen-Grenze geknackt. Heute (2015) liegt  der Umsatz bei 569 Millionen Franken. Gewinnzahlen veröffentlicht Medela keine. Doch in Zeiten des  starken Frankens und hoher Betriebskosten stellt sich für Schweizer Unternehmen wie Medela AG immer wieder die Frage, wie die Produktion hierzulande angesichts der hohen Lohnstückkosten verglichen mit anderen Ländern wie zum Beispiel in Osteuropa effizienter gemacht werden kann.

«Das zwingt uns, kreativ zu werden», erzählt Michael Sheehan, operativer Leiter bei  Medela für  Europa. Der  gebürtige Ire ist für ein spezielles Projekt nach Zug gekommen. «Heute produziert Medela noch in Baar und hier in Steinhausen. Doch der Produktionsstandort in Steinhausen wird immer wichtiger», erklärt Michael Sheehan. Hintergrund für die Konzentration der Produktion in Steinhausen ist die Steigerung der Produktivität. «Dafür stellen wir die gesamte Produktion um», berichtet Sheehan weiter. Die Produktionseinheiten werden verkürzt, und die Abläufe untereinander werden effizienter gestaltet.

Qualität zahlt sich aus

«Mit dem (ema Industrie 4.0 hat das zunächst einmal wenig zu tun», sagt Sheehan. Denn während es bei der Industrie 4.0 vor allem darum geht, dass Maschinen miteinander kommunizieren, stehen bei dem aktuell bei Medela anstehenden Transformationsprozess vor allem die Mitarbeiter im Zentrum des Interesses. «Für viele Produktionsschritte, die bei dem Zusammenfügen unserer Pumpen notwendig sind, ist immer noch der Mensch unentbehrlich», sagt Michael Sheehan. Zum Beispiel seien weiche Teile in der Pumpe aus Gummi für einen Roboter nur schwer zu greifen. «Wir brauchen gewissermassen das Feingefühl der menschlichen Hand, um bestimmte Teile der Brustpumpen zusammenzusetzen», erzählt Sheehan.

«Am Ende zählen vor allem die Funktionsfähigkeit, das Design und die Qualität der Pumpe. Dafür steht die Marke Medela weltweit», sagt Martin Elbel, Head Corporate Communications. Medela hat zwar für bestimmte Herstellungsprozesse Roboter eingesetzt, doch eine stärkere Automatisierung ist derzeit nicht vorgesehen. «Trotzdem optimieren wir unsere Produktionsabläufe ständig, damit wir die Produktivität unserer Firma steigern können», sagt Elbel. Diese Massnahmen seien aber eher erst so etwas wie Industrie 3.0. Medela lässt sich diese Umstrukturierung am Standort Schweiz etwas kosten. «Wir investieren einen hohen Betrag in die Optimierung der Produktion», so Elbel.

Menschen, nicht Dividende

Und das soll sich am Ende langfristig für die Firma auszahlen. Und bei Medela denkt man allerdings nicht ausschliesslich an Gewinnoptimierung. Seine Firma werde nie an die Börse kommen. Ihm gehe es um den Menschen und nicht um die Dividende, schrieb der Gründer der Firma Olle Larsson in seiner Biografie. Seine beiden Söhne, Michael und Göran, die im Verwaltungsrat der Medela sitzen, mit Michael Larsson als Präsident, führen diesen Grundsatz weiter.

Digitale Beratung für Mütter und Kunden

Das Internet und das Thema Industrie 4.0 verändern auch die Abläufe bei der Firma Medela. So hat Medela eine spezielle App für die Mutter in der Stillzeit entwickelt. «MyMedela» heisst das Serviceportal. Es besteht aus der App für Android und iPhone, mit der die Firma direkt – auf digitalem Weg – Mütter vor und während des Stillens ansprechen und sie gezielt beraten kann. Dadurch erfährt sie auch schneller von den Nutzungsgewohnheiten ihrer Kunden. Zu MyMedela, für den Medela kürzlich den Swiss Digital Transformation Award erhalten hat, gehören auch Onlineshops, zum einen für Geschäftspartner (B2B), zum anderen für Mütter als Endkundinnen (B2C), die so direkten Zugang zu allen Medela-Produkten erhalten. MyMedela hilft deshalb, dass sich Medela langfristig von einer Business- hin zu einer Konsumenten-Marke verändert. Bereits
300 000 Kunden haben die App MyMedela auf ihrem Smartphone installiert. Eine beachtliche Zahl, seit die App im Juli 2015 in den USA erstmals auf den Markt kam. Im letzten Herbst startete Medela eineerfolgreiche Marketing-Kampagne; über Social Media, Online Anzeigen und Familien-Plattformen im Internet wird MyMedela noch besser bekannt gemacht. Einen bedeutenden Meilenstein hat die Firma in den USA erreicht: Die amerikanischen Kunden können nun direkt via App Bestellungen erfassen. Das macht den Kaufprozess positiver und e/zienter als auf einer fremden Verkaufsplattform. Bevorzugt es der Kunde, Medela-Produkte in einem Laden zu kaufen, führt ihn die Funktion «Store-Finder» schnell und unkompliziert zum nächstgelegenen Geschäft. Voraussichtlich wird Medela im Spätsommer diese Bestellfunktion auch in Deutschland und England einführen.

Media Contact Medela

Martin Elbel, Medela AG, Head of Corporate Communications
martin.elbel@medela.ch, Phone +41 41 769 54 37 (Office), +41 79 881 78 28 (Mobile)